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Hilfe, die Ausländer wählen!
Kurz vor der Bundestagswahl wollten wir darauf aufmerksam machen, dass das deutsche Wahlrecht schätzungsweise neun Millionen in Deutschland lebende Erwachsene von allen politischen Entscheidungsprozessen ausschließt. Das ist strukturelle Diskriminierung von über 15% der Bevölkerung.
Wir wollten auf humorvolle Art auf diesen Mißstand hinweisen und starteten deshalb letzte Woche die Fake Stimmentauschbörse VoteBuddy. Hier sollten Nichtwähler*innen zusammentreffen mit Nichtwahlberechtigten, um bei der Bundestagswahl ihre Stimmen zu tauschen.
Wir ahnten, dass das Thema kontrovers diskutiert werden könnte. Und so war es dann auch. Die Welle der Empörung schwappte über von den besorgten Bürger*innen auf Facebook zu rechtsextremen Szeneblogs und von dort aus weiter zur Identitären Bewegung, zu Erika Steinbach und zu Bernd Lucke. Plötzlich wüteten alle Nazis über VoteBuddy.
Nachdem unzählige Anzeigen bei ihm eingingen, schaltete sich nun auch der Bundeswahlleiter ein und leitete Ermittlungen wegen Wahlbetrugs ein. Mehrere Presseartikel erschienen und spekulierten über die wahre Urheberschaft der Onlinebörse. An unser erfundenes New Yorker Startup wollte außer den Rechten niemand so recht glauben.
Nach fünf Tagen konnten dann alle beruhigt aufatmen: VoteBuddy war ein Fake, ein Stimmentausch fand nicht statt. Die neun Millionen Erwachsenen dürfen auch bei dieser Wahl wieder nicht teilnehmen. Natürlich ist eine Tauschbörse wie VoteBuddy nicht die Lösung, die wir brauchen. Jede*r sollte eine eigene Stimme und ein eigenes Wahlrecht haben – und nicht auf den Verzicht von anderen angewiesen sein. Auch das Nichtwählen (hallo anarschistische Genoss*innen!), sollte Ergebnis einer freien Entscheidung sein und nicht Ergebnis einer Diskriminierung durch Status. Doch der Wahlleiter verstand keinen Spaß, sondern ist sauer und will trotzdem weiter ermitteln.
Unser Kooperationspartner das Theaterkollektiv andcompany&co brachte die Idee des Stimmentauschs dann auf die Bühne. Hier trafen Nichtwahlberechtigte und Wahlberechtigte aufeinander. Unter dem Slogan: “Wählt nicht selbst! Werdet Wahlpaten” fand am 19. September in der Dreikönigskirche Dresden ein Experiment in indirekter Demokratie statt mit dem Titel: Wahlokratie: fin de partie.