-
Hereinspaziert, hereinspaziert,
zu einer Nikolaustradition der besonderen Art! Mögen Sie das Patriarchat? Ist auch Ihnen Gewalt gerade in der Weihnachtszeit ein Anliegen? Dann treten Sie näher! Denn wir waren dabei, beim höchstgeheimen Klaasohmenkampf auf Borkum!
Onkel Nikolaus geht auf Frauenjagd
Borkum, eine kleine niedersächsische Insel weit oben im Norden, feiert jährlich seit gut 200 Jahren das Klaasohm, eine Tradition, die so tradiert ist, dass es selbst Markus Söder den Senf vom Leberkäs wehen würde. Niederländisch für Ohm wie Onkel und Klaas wie Nikolaus: Onkel Nikolaus. Ganz weihnachtlich also! Besonders festlich ist es für die Borkumer Männer, die Regeln sind traditionell so: Aus dem Verein Borkumer Jungens werden sechs Klaasohme und ein Wiefke (auch ein Mann, aber als Frau verkleidet, hihi) ausgewählt, aus drei Altersgruppen. Die Klaasöhmer sind verkleidet mit riesigen Masken, in denen eine unübersichtliche Menge an Tierbestandteilen verarbeitet ist: Möwenfedern, Robbenköpfe, sowas halt. Die Auserwählten treten dann in einem Vorkampf gegeneinander an. Wer in diesem Kampf gewinnt, darf traditionell danach das große Borkumer Frauenhauen anführen. Nach dem mysteriösen Kampf in der Halle nämlich geht es auf Frauenjagd. Frauenjagd, was heißt denn das? Das, wonach es klingt: die Klaasothen ziehen durch die Straßen, um Frauen zu schlagen, mit Kuhhörnern. Damit das besonders gut geht, haben sie Unterstützung von ihren Assistenten, die die Frauen festhalten. Das ist männlicher Teamgeist!
Breaking: Kein Frauenhauen mehr!
Bis jetzt. Obwohl es den Borkumerianer*innen bislang sehr gut gelungen ist, Presse fernzuhalten und ziemlich unbemerkt Jahr für Jahr die gute alte Tradition aufrechtzuerhalten, ist es damit jetzt vorbei – das Frauenhauen ist zu Ende. Denn kurz vor dem diesjährigen Klaasohm, gerade als die Kuhhörner schon glatt poliert und die Robbenmützen frisch mit Goretex imprägniert wurden, sendete der NDR eine StrfF-Reportage: Frauen und ehemalige Klaasohmeter meldeten sich zu Wort, beschreiben Gewalt, Blessuren und Gruppenzwang. Bürgermeister und Gleichstellungsbeauftragte malten unterdessen lieber mit dem Fuß Herzchen ins Watt, als den Reporter*innen Auskunft zu geben. Die mediale Aufmerksamkeit hat die Borkumerianer*innen zum Handeln gezwungen – die bisher undenkbare Konsequenz: in diesem Jahr wurden beim Klaasohm keine Frauen geschlagen (also zumindest nicht öffentlich). Man gibt sich geläutert, der Verein distanziert sich von jeglicher Gewalt, insbesondere gegenüber Frauen. Irgendwo gab es angeblich auch eine Notfallrufnummer – wo die allerdings zu finden ist, weiß nur der Nikolaus.
Was bleibt denn dann übrig vom Klaasohm, wenn gar keine Frauen mehr gehauen werden, fragt ihr euch? Das wollten wir auch wissen, und haben mit Hilfe einiger Ex-Klaasömern Kameras im Saal befestigt, in dem der große Kampf der Klaasohmaten stattfindet.
Männer, die gegeneinander laufen und umfallen
Wir stellten fest: Eine Menge bleibt übrig! Zum Klaasohmenkampf haben Frauen keinen Zutritt – wenn schon nicht direkte Gewalt, dann doch wenigstens noch Ausschluss. Nur gesichtsbekannte Borkumer dürfen dabei sein. Was dort passiert, hat kein Nicht-Borkumer bisher gesehen. Die Regeln sind irgendwie so: viel Alkohol, aufeinanderrennende Männer unter großen Masken und wer zuerst umfällt, hat verloren. Wer gewinnt (also, nicht zuerst umgefallen ist), ist THE MAN!!! GEIL!!!!!!! Schaut man sich das an, stellen sich einige Fragen: wieso ist dieser Männlichkeitskarneval geheim? Ist es etwa insgeheim völlig klar, dass hier ein Bild von Männlichkeit gefeiert wird, das sich nicht entscheiden kann zwischen absurd und peinlich?
Gewalt gegen nicht männlich gelesenen Personen hat leider eine ganz echte wachsende Tradition, und zwar nicht nur zu Nikolaus. Wenn vom traditionsreichen Vermöbeln von Frauen (natürlich nur Spaßi ;))) nur durch medialen Druck abgelassen wird, steht der rosa Klaasohm im Raum, welche Werte hier eigentlich vertreten und gelebt werden wollen. Da reicht es vielleicht nicht, nur das Hauen wegzulassen.