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Sorry! Die Sache mit dem Hartz IV tut uns echt leid.
10 Jahre nach den Hartz-Reformen dachten wir, nun sei es endlich an der Zeit, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sich für diese sozialpolitische Katastrophe entschuldigt. Weil Einsicht und Entschuldigung manchmal schwer fallen, haben wir diese Arbeit übernommen.
Im politischen und medialen Diskurs herrscht ein makelloses Bild von Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht Europas, deren ökonomische Überlegenheit auf Sparsamkeit, Effizienz und Tugend beruht. Deutschland soll für alle als Vorbild gelten:
Es ist Exportweltmeister und Wirtschaftsmotor der Euro-Zone, hat eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten und rühmt sich seit drei Jahren mit einer schwarzen Null. Doch was wird durch diese glänzende Oberfläche verdeckt? Das Land ist sozial gespalten, der wirtschaftliche Aufstieg wurde auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen.Durch die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 ist die Armut in der Bevölkerung gestiegen, die soziale Ungleichheit gewachsen und Arbeit wurde entwertet und präkarisiert.
Ein repressives, hochbürokratisches und menschenunwürdiges System von Sanktionen wurde ausgebaut, um sicher zu stellen, dass Menschen schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen und der profitable Niedriglohnsektor wachsen kann. Erwerbslosigkeit wird immer mehr als Eigenverschulden stigmatisiert, obwohl es deutlich weniger offene Stellen als Arbeitssuchende und immer mehr prekäre Jobs gibt, die nicht existenzsichernd sind.
Wir dachten, es sei Zeit für eine Bilanz, für Ehrlichkeit und Einsicht! Es ist Zeit, die andere Seite der Medaille zu zeigen. Und wenn der Wille zur politischen Veränderung nicht da ist, ist eine Entschuldigung immerhin besser als nichts!
Deshalb starteten wir „Deutschland sagt Sorry“. -
Diese Entschuldigung kommt wirklich von Herzen
Die Tragödien in den Biographien von Millionen Erwerbslosen waren wohl ein notwendiges Übel, um Deutschland dahin zu bringen, wo es heute ist. Weil das Bundesministerium und die Regierung das so richtig zu schätzen wissen, versprachen wir ein handsigniertes Entschuldigungsschreiben von Bundespräsident Gauck an alle, die ihre Leidensgeschichte auf der Webseite teilten.
Das BMAS war natürlich nicht amüsiert und drohte mit rechtlichen Konsequenzen, sollten wir die Satire nicht sofort als solche kenntlich machen. Auf eine inhaltliche Auseinandersetzung ließ es sich jedoch nicht ein.
Die Kampagne ist aber mehr als nur Satire. Sie versteht sich auch als Plattform, auf der Betroffene ihre Geschichte öffentlich machen können. Obwohl natürlich niemand an den Entschuldigungsbrief von Gauck glaubte, erhielten wir eine Flut von E-Mails und Anrufen von Menschen, die dankbar waren, dass dem Thema endlich wieder Beachtung geschenkt wird. Wir hatten einen Nerv getroffen.
Am nächsten Tag brachten wir die gute Botschaft in die reale Welt und besuchten im Namen des BMAS ein Jobcenter in Dortmund mit einem tanzenden Flashmob. Mit dem selbst produzierten Lied „Deutschland sagt Sorry“, einem riesigen Herzen und viel Gold wollten wir die Tristesse und die Demütigung brechen, die oft in Jobcenters herrscht, und gleichzeitig das Hartz IV-System kritisieren und die Heuchelei der Politik sichtbar machen. Nicht zuletzt konnten wir auch unseren Traum erfüllen, einen Frühlingshit samt Musikvideo zu produzieren!
Deutschland sagt Sorry ist ein Projekt von DIE POPULISTINNEN, eine Kooperation zwischen Schauspiel Dortmund und Peng! Collective, gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes.