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Wir erklären der AfD den tortalen Krieg
Kein*e Aktivist*in will eine Politiker*in torten. Wir wollen das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Sahnetorten. Und derzeit ist der Gebrauch von Torten das moralische Gebot der Stunde. Der Tortenwurf ist letztes Mittel am Grenzbaum zur Unmenschlichkeit und dringlichster Ausdruck direkter Demokratie.
Wir haben lange überlegt, was man gegen die AfD tun kann. Soll man mit ihr diskutieren? Soll man sie überhaupt auf Podien einladen? So wie Artikel über Donald Trump lange Zeit nur in der Entertainment Sektion der Huffington Post zu finden waren, er dann aber zum Präsidentschaftskandidaten gewählt wurde, ist nun auch die AfD leider sehr ernst zu nehmen. Nach langem Hin und Her haben wir uns entschlossen, mit ihr in den Dialog zu treten.
Da Argumente und Logik auf dem Markt der Ressentiments keinen Sinn ergeben, haben wir uns für die Rhetorik der Sahne entschlossen. Die Anhänger*innen der AfD haben sich als Mittel der Auseinandersetzung für massenhafte Morddrohungen entschieden.
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Was ist eigentlich passiert?
Es war etwas Sahne auf etwas Tortenboden in etwas Gesicht. Und doch hat es das Internet explodieren lassen, als wir Beatrix von Storch torteten. Weil es die Enkeltochter von Hitlers Reichsfinanzminister war, weil sie gerade alles daran gibt, die neue rechtsradikale Bewegung in Deutschland aufzubauen und weil wir alle unsere ganz eigenen Beleidigungs- und Ehrephantasien im Bezug auf Sahne in Gesichtern haben.
Innerhalb von 24 Stunden wurden die zwei Videos des Tortenwurfs von etwa 1,5 Millionen Menschen geschaut. Es wurden Loops geschnitten und gifs daraus gemacht. Bei der Kurznachrichten-App Telegram gab es innerhalb kürzester Zeit Sticker von der betrübt schauenden Beatrix von Storch. Auf Twitter wurde unter dem Hahstag #tortalerKrieg unser Kassenbeleg von Tortenboden und Sahne geteilt und unter #tortenfilme wurden Filmtitel neu erfunden: Tortal Recall, Harry Potter und die Heiligtümer des Tortens oder Pie Hard. Auch auf Youporn wurde das Video mit Sahne auf der Reichsministerenkelin mehr als zehn mal hochgeladen.
In den folgenden Wochen und Monaten erschienen immer mehr Torten im öffentlichen Raum, sobald Neonazis und andere Rechtsradikale ihn betraten. Zwei Tage nach der Tortung fand in Berlin eine Demonstration statt – als die Demonstrant*innen begannen, “tortaler Krieg” zu skandieren, zurrte sich die Polizei vor der nächstliegenden Konditorei zusammen. Als dann der Landesparteitag der AfD in Berlin stattfand, wurde ein Tortenkatapult von der Polizei konfisziert. Die Jusos verabschiedeten den Vorsatz Tortungen zu legalisieren und als der rechtspopulistische Polizeigewerkschafter Rainer Wendt auf dem Podium des tazlabs sprach, brachte der Moderator kommentarlos eine Torte mit. Die Konfiszierung von Torten auf Demos wird von der Polizei mit “Gründen der Gefahrenabwehr” gerechtfertigt.
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Gloup Gloup Gloup
Seitdem sind weitere Torten geflogen: Sarah Wagenknecht gab sich alle Mühe zu argumentieren, weshalb Menschen, die vor Tod und Hunger fliehen, in anderen Ländern besser aufgehoben seien. Sie bekam eine Schokotorte ins Gesicht. Der Bodyguard von Thilo Sarrazin, dem wohl bekanntesten Poeten der Neonazis, schmiss sich heldenhaft vor seinen Herrn, als die Torte flog. Als AfD-Vorstand Meuthen mit einer gefrorenen Torte beworfen wurde, sahen wir uns gezwungen, die neue Generation der Wurfkonditor*innen an die altgedienten Strandards zu erinnern.
Eine Torte wird aus Liebe zum Leben und als Beleidigung des Individuums geworfen. Es sollte aber niemals jemand verletzt werden, außer in ihrer oder seiner Ehre. Im Spätkapitalismus finden sich in jedem gut sortierten Supermarkt Tortenböden und Sahnedosen, da braucht man nicht zum Tiefkühlfach zu gehen (die minimale Temperatur sollte ohnehin 12 Grad Celsius betragen). Wenn man es sich leisten kann, lohnt sich auch immer zur veganen Schlagsahne aus dem Tortenfachgeschäft zu greifen, der Umwelt zuliebe. Bei der Ausführung des Tortenwurfs ist darauf zu achten, unbedingt kurz vorher “gloup gloup gloup” zu rufen, sonst wird die Aufnahme bei der Konditorischen Internationale verwehrt. Weiterhin ist es essenziell, friedlich und freundlich aufzutreten und chauvinistische oder andere menschenverachtende Gesten zu vermeiden. Ist man sich der Wurftechnik nicht sicher, empfiehlt es sich immer, die Torte direkt ins Gesicht zu “legen”, also die Wurfdistanz auf null zu reduzieren. Ist die zu tortende Person duch Sicherheitspersonal vor Torten geschützt, empfiehlt es sich, das Wurfpersonal aufzustocken. Bill Gates wurde bei seiner historischen Tortung sechs mal in Folge getortet. Wir arbeiten momentan mit dem Institut für Normierung eng zusammen, um die Standards zum Tortenwurf in Deutschland festlegen zu können und als adäquates Mittel gegen Rechts zu etablieren.