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Diese Grenze existiert nicht.
Im beschaulichen Örtchen Bayerisch Gmain, wo Menschen sich deutsch nennen und nur eine Straße weiter spazieren müssen, um Menschen zu treffen, die sich österreichisch nennen dürfen, da haben wir ein Plakat anbringen lassen: "Diese Grenze existiert nicht".
In der kleinen Gemeinde Bayerisch Gmain, wo selten Kunstausstellungen zu sehen sind, war einst ein Werk des Peng Kollektivs zu sehen. Es war Teil des Kunstprojektes „Schrei es in die Welt hinaus“. Dafür hatte der Konzeptkünstler Peter Kees elf Künstler*innen eingeladen, öffentliche Plakatflächen zu gestalten. Gefördert durch den Freistaat Bayern, übrigens.
Wir hatten also ein Plakat am Grenzweg 3 aufstellen lassen, auf dem geschrieben stand, es gebe diese deutsch-österreichische Grenze nicht. Genauer: “Diese Grenze existiert nicht.” Auf Ukrainisch, arabisch und englisch, um den kosmopolitischen Anspruch des Werks zu untermauern.
Ein Bundesadler war auf dem Plakat abgebildet, aber auch ein absichtlich leicht verfremdetes EU-Symbol, um zu zeigen: Das ist ein Kunstwerk. Ähnlich wie bei Jan Böhmermanns Videos zum Grundgesetz, in denen die Logos des ZDF Neomagazins neben dem Hoheitszeichen des Innenministeriums als Indikator für Satire zu finden sind, kontextualisierten wir damit das deutsche Hoheitszeichen. “Wilkommen in Bayern” schrieben wir dazu, bewusst mit einem L zu wenig, damit auch der letzte Beamte sich fragend den Kopf kratzen würde.
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Die Polizei ermittelt nun gegen sich selbst.
Als der Steinhöringer Konzeptkünstler Peter Kees unser Plakat also aufhängen ließ, war es wie mit allen anderen Werken seiner Ausstellung: er freute sich. Und kam vorbei, um es sich anzuschauen. Gut sieht es aus, dachte er sich, und ging Mittagessen. Als er zurückkam, war das Plakat weg. Fein säuberlich entfernt, die abgerissenen Teile des Plakates verschwunden. Peter Kees stand ratlos davor, als ein Polizeiwagen ums Eck kam. Das sei ja schließlich Grenzgebiet, Personenkontrolle. Anzeige gegen Unbekannt erstatten, sagte Kees spontan, das Kunstwerk sei zerstört worden. Die Beamten nahmen die Anzeige auf.
Und dann wurde es spannend. Denn es stellte sich auf Nachfrage heraus, dass die Polizei das Plakat selbst entfernt hatte. Vandalismus in einem spontanen Affekt der Autoritätsbehauptung. Die gestellte Anzeige richtete sich also gegen die Polizei selbst, nicht gegen Unbekannt. Und was tut die Polizei gern bei Kriminalitätsbeschuldigungen in den eigenen Reihen? Gegenanzeige stellen! Ermittelt wird gegen Peter Kees nun also wegen Amtsanmaßung.
Was ist hier los? Zum einen ist offensichtlich, dass keine Gefahr im Verzug bestand, weshalb das Plakat dringend hätte zerstört werden müssen. Spielte die Polizie hier also die Judikative indem sie sich indirekt selbst eine richterliche Verfügung gaben, um dann als exekutive Gewalt zu handeln? Und richtet sich dieser Akt der Selbstjustiz nicht gegen etwas, das in Deutschland durch das Grundgesetz besonders geschützt ist: die Kunstfreiheit? Nachdem im Nationalsozialismus “entartete Kunst” verboten und von der Polizei konfisziert und zerstört wurde, hat dieses Grundrecht einen besonderen Stellenwert. Eine Nichtbeachtung, die für die Beamten, die nun gegen sich selbst ermitteln müssen, zu fristloser Entlassung führen könnte, da sie ihres Amtes nicht würdig handelten.Es bleibt also spannend, welche Grenzen in Deutschland gewahrt werden. Die der Kunstfreiheit, die der Trennung zwischen Judikative und Exekutive oder die des persönlichen Geschmacks und der Selbstjustiz in Uniform.
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Mega Cringe.
Aber wir glauben weiter fest an das Leitbild der Bayerischen Polizei: Objektivität, Professionalität und der verantwortungsvolle Umgang mit besonderen Befugnissen. Daher haben wir ihr etwas unter die Arme gegriffen und uns – Tatü Tata – im Namen der bayerischen Polizei bei uns entschuldigt. Da Peng! Professionalität und ein verantwortungsvoller Umgang genau so wichtig ist, haben wir die Gestaltungsregeln für Plakate der Bayerischen Polizei auch wirklich genau eingehalten, nur das Logo der „Bayerischen Pozilei“ hat sich irgendwie verflüssigt.
Nun weiß Bayerisch-Gmain: eigentlich liegt der Bayerischen Polizei ganz, ganz viel an der Kunstfreiheit.